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Ich bin ein 62er und somit quasi von Anfang an dabei und natürlich sah man das als Kind sowieso anders, als ein junger Mensch und der wieder anders als ein sogenannter Erwachsener.
Ich kenne viele Geschichten vom Hörensagen, aber das ist es eben nicht, was ich erzählen möchte. Ich rede/schreibe nur über das, was ich selbst erlebt und empfunden habe, ob richtig oder falsch…. diese Frage stellt sich für mich im Nachhinein eher selten (natürlich nicht immer).
Meine Kindheit und meine Jugend habe ich in Berlin, Hauptstadt der DDR verlebt. Wir wohnten im Bezirk Mitte und dort im Heinrich-Heine-Viertel (Ost) vis-à-vis vom Moritzplatz (Kreuzberg).
Für mich und sicher auch anderen in meinem jeweiligen kindlichen/jugendlichen Alter, war die Grenze quasi „normal“ – weil Alltag und allgegenwärtig.
Wohnort, Schule, Freizeit, Sport und Freunde alles und jederzeit in Grenznähe.
Hier mal die damalige Situation – über der blauen Linie (Vormauer) sieht man die Wohnblöcke, das ist „mein“ Gebiet. Unter der roten Linie (Staatsgrenze, gerne auch antifaschistischer Schutzwall) liegt Kreuzberg.
Im Knick (heute City-Grundschule) war MEINE Heinrich-Heine-Oberschule (POS).

Natürlich gab es später auch die eine oder andere Begegnung der besonderen Art mit diesem trennende Bauwerk.
Hier ein paar dieser Ereignisse, die beileibe keinen Anspruch auf Vollständigkeit haben, aber irgendwo muss man ja mal anfangen, ggf. später als Part II fortzusetzen.
Da war zum Beispiel mein bester Freund, der, wenn er etwas zu viel von den prozenthaltigen Grundnahrungsmittel zu sich genommen hatte, gerne mal lauthals den Republikflüchtlingen an der Vormauer geben musste und ich ihn dann des Öfteren vorm Eintreffen der jeweiligen Staatsorgange dort abpflücken durfte.
Oder diese merkwürdige Eigenart der Westbesucher (an „unserem“ Grenzübergang konnten nur Westdeutsche und Ausländer ein- und ausreisen) bei der Ausreise, ihr restliches Ostgeld den Kindern auf der Heinrich-Heine aus dem fahrenden Auto hinzuschmeißen oder oder in die angrenzenden Papierkörbe zu befördern.
Weiterhin war es natürlich immer sehr speziell zu manchen unserer Freunde zu gelangen und dabei quasi parallel dem Grenzverlauf entlang zu laufen. Siehe auch auf der Karte die untere blaue „Nase“ mit den Wohnblöcken.
Eine andere und doch sehr prägende Geschichte spielt sich nicht bei uns ab, sondern eher im nördlichen Teil von Ostberlin.
Mein Freund ich ich wollten zu einer Disko nördlich von Pankow, nach Glienicke. Vorher galt es aber noch einen Lehrkameraden meines Freundes abzuholen.
Auch dieser wohnte im Grenzgebiet und somit für uns nichts Ungewöhnliches. Wir „betraten“ also das heilige Land und merkten sofort, dass wir von zwei Uniformierten verfolgt wurden. Es dauerte nicht lange und wir wurden zum Stehenbleiben aufgefordert.
Was dann abging – für uns quasi ein Alptraum. Die beiden Grenztruppenluden machten das ganz große Fass auf und verlangten von uns die Passierscheine und diverse Erklärungen.
Lange Rede: wir hatten beides nicht dabei, jedenfalls nicht in der Form, wie es scheinbar hier (örtlich und situativ) gefordert angebracht gewesen wäre und so begann die Wendung des Abends. Auch unsere “Totschlagargumentation“, dass wir selber im Grenzgebiet wohnten, half uns kein Stück weiter, denn wir hatten ja keinen Schein.
Ein angefordertes Polizeiauto fuhr uns (gefühlt sehr lange) zu einem Polizeirevier. Dort begann dann in verschiedenen Akten und Rollen das stundenlange Verhör von Polizei und Stasi. Das „Verfahren“ hatte fast Filmcharakter, denn hier kam auch wieder die beliebte Posse „guter Bulle – böser Bulle„ im regelmäßigen Wechsel zur „Aufführung“. Natürlich gehörten begleitete Toilettenbesuche und Leibesvisitationen auch dazu. Wir hatten somit das ganze Paket „gebucht“. Mit den Details, was uns da alles unterstellt wurde, möchte ich die hiesige Leseschaft nicht langweilen und lasse sie auch aus Zeitgründen weg. 😉
Nach 4 Stunden, es muss so gegen 23:00 Uhr gewesen sein, musste nun doch festgestellt worden sein, dass wir wohl doch nur zwei doofe Halbstarke waren, die zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Am Ende schmissen sie uns vor die Tür und entließen uns in die dunkle Nacht. Ich konnte noch schnell fragen, wo wir denn hier eigentlich waren und bekam zur Antwort: in Hohen-Neuendorf, also noch einmal ein Stück weiter draußen. Den Rest des Abends verbrachten wir nun nicht mehr mit einem Diskobesuch, sondern mit der Suche nach einem öffentlichen Verkehrsmittel (damals gab es weder Smartphone noch GoogleMaps 😉 ), denn wir wollten nur noch nach Hause.

Auch später gab es immer wieder den einen oder anderen Berührungspunkt zum Thema Grenze und deren Folgen.
Einer davon war, dass ich auch meine erste Junggesellenbude gleich an der Heinrich-Heine-Straße (Ecke Annenstraße) hatte, die seiner Zeit Transitstraße zum Grenzübergang war. Transit heißt aber eben auch, riesige LKW‘s, die die Ware von hier nach dort und umgekehrt transportierten.
Die Heinrich-Heine-Straße war immer Hauptstraße und es gab keine Ampel. Irgendwann kam ein Vollpfosten auf die sensationelle Idee das kurzer Hand zu ändern. Die Folge: jeder Schwerlaster musste (quietschend) in die Eisen treten, um anzuhalten und danach sehr hochtourig wieder anzufahren. Es war eine akustische Offenbarung, vor allem im Sommer bei offenem Fenster.
Aber, wie sagt man so schön, es war nicht alles schlecht und so lernte ich in dieser Zeit viele sympathische Menschen (vor allem Holländer) kennen, die fussläufig zur Grenze gingen und dabei an meinem Fenster (EG) vorbei kamen. Oft bahnte sich dadurch ein sehr entspanntes Gespräch an und wir tauschten einige Geschichten aus.
Es wird in der Zukunft immer mal wieder Geschichten mit Grenzbezug geben, weil eben so gegenwärtig und am Ende doch so „normal“, denn man lebte damit … quasi alle Seiten.
Der, der das so nicht kennengelernt hat, darf sich glücklich schätzen. Gleichwohl verbietet sich ein Urteil aus der „Ferne“, weil eben nicht erlebt und gelebt.
Es war eine Art Microkosmos im großen Politkosmos, mit dem der eine besser, die andere schlechter leben konnte.
Ich verstehe alle Betroffenen in der damaligen DDR, die sich seiner Zeit aktiv gegen das System engagiert und gehandelt haben. Sicherlich nicht alle, denn:
„Der satte Bauch ballt nicht die Faust“
So – das soll es für‘s Erste zu diesem Thema gewesen sein. Es war noch lange nicht alles, eher ein erster Aufschlag quer Beet. 😉
Hier gehts zur Storyline von „wat haste jemacht mit dein leben“
P.S.
Frage: Warum machst Du das?
Antwort: Damit ich mir später meine eigenen Geschichten aus meinem eigenen Leben durchlesen kann, falls ich sie vergessen haben sollte.
– also purer Egoismus 😉
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