Wat haste jemacht … „Zahlen bitte!“

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… oder Erinnerungen an mein erstes Berufsleben 😉

Nur wenige meiner Gleichaltrigen (oder sagt man heute besser „gleich Alternden“? 😉 ) sind heute noch in dem Beruf unterwegs, den sie mal gelernt haben. Kein Problem, da das auf mich auch zutrifft.

Hier und heute geht es genau um diesen ersten Schritt ins Berufsleben (wie im Einstiegs-Blog zur Reihe: Wat haste jemacht…“ angekündigt), der eigentlich nur von kurzer Dauer sein sollte, weil anderes gerade nicht möglich war.

Getreu der Regel: „Manchmal kommt es anders, als man denkt…“

Hier schon mal ein kleiner Abriss meiner „Karriere“ in der Gastronomie. Ursprünglich war nur ein kurzer Aufenthalt in dieser Branche geplant und am Ende konnte nur die Einheit und Ihre Folgen, diesen Weg stoppen …. Gott sei Dank (aus der heutigen Sicht 😉 ).

  • 08/79 – 07/81 Ausbildung (HO-Gaststätten Linden Corso)
  • 07/81 – 03/82 Kellner (HO-Gaststätten EKZ)
  • 04/82 – 10/84 Wehrdienst (irgendwie auch Gastronomie 😉 )
  • 11/84 – 10/85 Lagerarbeiter Getränkelager (HO-Gaststätten EKZ)
  • 11/85 – 01/86 Lagerleiter Getränkelager (HO-Gaststätten EKZ)
  • 02/86 – 04/86 Branchenlagerist (HO-Gaststätten EKZ)
  • 05/86 – 03/89 Leiter Wirtschaft (HO-Gaststätten (EKZ)
  • 04/89 – 12/89 Restaurantleiter (HO-Gaststätten Restaurant Prag)
  • 01/90 – 10/90 Stellv. Gaststättenleiter (Konsum Restaurant Jägerheim)
  • 11/90 – 06/90 Restaurantleiter (Konsum Hellersdorfer Terrassen)

Lehre

Es war in der neunten Klasse, da hatte sich der sozialistische Zögling gefälligst „nachhaltig“ für seine berufliche Entwicklung zu entscheiden. Ausnahmen galten nur für die, die aus berechtigten oder unberechtigten Gründen zur Quasi-Elite des Arbeiter- und Bauernstaates gehörten und noch auf die erweiterte Oberschule (EOS) gingen, um für ihre zukünftige angestrebte oder vorgezeichnete Karriere weiterzulernen.

Mein eigentlicher Berufswunsch des Kunstschmieds konnte leider nicht realisiert werden, da der potenzielle Ausbildungsbetrieb, der eigentlich eine Kunstwerkstatt eines renommierten Berliner Kunstschmieds war, immer nur einen Lehrling pro Ausbildungszeitraum ausbilden durfte und dieser Platz war durch einen Anderen belegt. Heute würde man sich ein Jahr lang anders beschäftigen (freiwilliges soziales Jahr oder einfach nur „Matte).

Zur damaligen Zeit war dies leider so nicht möglich und so galt es, sich Alternativen zu suchen. Durch eine Empfehlung und einem „Beratungsgespräch“ eines Nachbarn, ging es in Richtung Gastronomie und hier dann zur „schwarzen Zunft“ dem Service, sprich Kellner. Ich willigte ein, bewarb mich beim VEB HO-Gaststätten Berlin, wurde angenommen und so ging es in die Lehre. Eins war ja eh klar, soll ja nur so eine Art Übergang sein. Das es am Ende doch gut 10 Jahre dauerte, konnte ich mir nie im Leben vorstellen.

Bevor es aber richtig losging, war eine Frage noch offen: Die Orte der theoretischen Ausbildung waren schnell in Erfahrung gebracht, einzig die eigentliche Ausbildungsgaststätte, sprich das Restaurant, war noch nicht klar. Endlich kam die erlösende Nachricht und ich war sichtlich zufrieden, denn es ging in Lindencorso, Unter den Linden/Ecke Friedrichstraße – keine wirklich schlechte Adresse.

Bundesarchiv Bild 183-L1124-0301, Berlin, "Lindencorso".jpg
Von Bundesarchiv, Bild 183-L1124-0301 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, Link

An meinem ersten Lehrtag hörte ich einen Satz, der später noch oft von Bedeutung werden sollte. Mein Kollege aus dem 2. Lehrjahr begleitete mich zu den Garderoben und er hatte scheinbar wirklich nichts Wichtigeres zu tun, als mich vor Beziehungen aus dem eigenen Arbeitsumfeld zu warnen. Nun ja, so richtig schien ich nicht hingehört zu haben. 😉

Meine Ausbildung verlief ohne große Schwierigkeiten. Ein großen Verdienst daran hat auch mein Lehrmeister Herr Hasemann. Er war so ganz anders als die anderen wichtigen Damen und Herren aus „meinem“ Restaurant. Er hatte ein sehr gutes Fachwissen und eine angenehm ruhige Art uns dieses Fachwissen zu übermitteln. Meine Oberkellnerinnen und Oberkellner waren da schon ganz anders drauf.

Ich schien mich wohl nicht ganz so dusslig angestellt zu haben, denn ich durfte im 2. Lehrjahr beim berlinweiten Leistungsvergleich aller Lehrlinge (Köche, Kellner etc.) teilnehmen und machte den 2 Platz der Kellner.

Die Platzierung an sich war mir eigentlich völlig egal, egal war mir aber nicht, dass wer auf den ersten 3 Plätzen landete, keine praktische Prüfung ablegen musste und dies war somit tausend Mal besser, als eine Medaille und/oder ein Blumenstrauß.

Die Lehre war geschafft und nun ging es also „in die Welt hinaus“, um …. Geld zu verdienen. Im Corso konnte ich nicht bleiben, denn mein Platz war ja für die nächsten Lehrlinge reserviert.

Der letzte Dienst der Ausbildungsabteilung war es, für uns den nächsten und festen Einsatzort zu auszusuchen und uns diesen mitzuteilen.

Ich machte meinen Brief auf und dachte mich trifft der Schlag! Ich, der eine 2 jährige Ausbildung gemacht hatte, erfolgreicher Teilnehmer im Berlinwettstreit und Jahrgangsbester aus seinem Restaurant, sollte den beruflichen Einstieg nun in den „Berliner Bierstuben am Senefelder Platz„ finden. Nichts gegen meine Kolleginnen und Kollegen aus Bierrestaurants, aber dafür hätte ich keine Lehre gebraucht.

Ich wand mich mit meiner Enttäuschung an meinen Lehrmeister und, Dankschön auch noch jetzt dafür, setzte sich für mich beim Oberlehrmeister und der Gaststättenverwaltung ein. Die Zeit des Wartens wurde mit einer hervorragenden Lösung belohnt: Ich bekam einen weiteren Brief. Es ging ins Einkaufszentrum am Bahnhof Friedrichstraße (EKZ), welches ein vorgelagertes Gebäude des Internationalen Handelszentrum war.


Einstieg in den Beruf

Einkaufszentrum am Bahnhof Friedrichstraße

Internationales Handelszentrum (IHZ)
Von Manuel Strobel/Deutsches Architektur-ForumEigenes Werk des ursprünglichen Hochladers, Attribution, Link

Da war sie also, die Zeit, in der ab sofort so richtig Geld verdient werden sollte. Ich wurde gut in das Kollektiv (heute würde man vom Team sprechen) meiner Schicht aufgenommen. Wir arbeiteten im 2 Schichtsystem und übergaben/-übernahmen so gegen 16:00 Uhr unser Revier an/von unseren Kollegen der anderen Schicht. Unsere gesamte Gastronomie bestand aus einem Restaurant, einem Café und einer Konditorei (hier eher Café mit dem Fokus auf Kaffee und Kuchen). Im Haus gab es auch noch einen Blumenladen, ein Schmuckgeschäft und einen Minimarkt (Lebensmittel).

Der Lage (direkt am Bahnhof Friedrichstraße) geschuldet, hatten alle Wirtschaftseinheiten des EKZ ein sehr hohes Aufkommen an Touristen und hier insbesondere Besucher aus Westberlin und Westdeutschland.

Dieser Fakt war für uns Kellner gar nicht mal so uninteressant, denn es ergab sich doch des Öfteren die Möglichkeit an das begehrte Westgeld heranzukommen. Natürlich durfte man grundsätzlich Westgeld annehmen, nur musste dies eben, mit einem gewissen Verwaltungsaufwand, beim Oberkellner abgerechnet/ausgehändigt werden. Die für uns „bessere Lösung“ war es, die Kohle einfach gegen die einheimische Währung eins zu eins „zu ersetzen“. Dieser Vorgang war immer mit einem hohen Risiko verbunden, denn hier galt in der Regel das Gebot: Bleibe möglichst unerkannt bzw. diskret. Das alles selbstverständlich von Anfang an, also auch schon bei der Frage des Gastes, ob er auch mit Westgeld bezahlen könne. Diese Sorgfalt war immer geboten, denn den Neidern bzw. den Vertretern von „Horch und Guck“ sollte man keine Chance zu geben…

Eine weitere Besonderheit war für mich am Anfang, dass jeder Kellner einen Flambierwagen bzw. seine „eigenen“ Flambierspirituosen hatte, die er, wie die Schicht selber, jeden Tag übernahm bzw. übergab. Heute würde man wohl auch von einer Art Gelddruckmaschine reden, denn die „Kunst“ des Flambierens (nach Nachfrage und Zusage des Gastes) wurde reichlich angewandt und deren Ergebniss ließ mich am ersten Abend, mit Blick in mein Kellnerportemonnaie, glänzende Augen bekommen. Ich schaute meinem Oberkellner wohl etwas fragend an… aber der wusste sofort worum es ging und sagte nur kurz: „Das stimmt schon so“ und lächelte. Sehr zufrieden beendete ich daraufhin meinen Dienst. 😉

Es lief blendend und alles war gut. Man lernte viele Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Häusern beim nächtlichen Absacker (nach der Spätschicht) in den diversen Nachtdiskotheken (z. B. im Operncafé des Opernpalais) und Bars (z. B. Pinguinbar) kennen und man erweiterte somit seine „Netzwerke“.

Leider kam dann (schon nach einem 3/4 Jahr) jemand um die Ecke und holte mich aus diesem, meinem Lauf. Dieser Jemand war die Staatsmacht mit seiner unmissverständliche „Bitte“, dass ich nun doch auch etwas für ihn zu tun solle, will sagen: Der Wehrdienst rief (mehr dazu gerne hier).


Nach der Ableistung meines Grundwehrdienstes war nichts mehr wie vorher. Ich konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr im Service arbeiten und so bot mir mein Arbeitgeber an, in meinem Stammhaus zu bleiben und dort eine andere Arbeit (ein neues Leben zu beginnen) anzunehmen. Mir war das EKZ mit all meinen Kollginnen und Kollegen doch rechts ans Herz gewachsen und so sagte ich zu, als Lagerarbeiter im angesiedelten Getränkelager zu arbeiten, bis ich etwas anderes/besseres gefunden hätte.


Der Lagerleiter bzw. mein neuer Chef war eine sehr dominante Person (manche würden wohl eher schwieriger Charakter sagen), von dem ich sehr viel für meine spätere Zukunft gelernt habe und ich ihm dafür sehr dankbar bin. Auch habe ich mit ihm so einiges Schönes und auch weniger Schönes erleben dürfen.

Er, nennen wir ihn mal Matthias, war neben seiner Leiterrolle, auch dem Spaß und Amüsement nicht abgeneigt und so kam es des Öfteren vor, dass er seine Beziehungen spielen ließ und wir gegen Mittag eine mehrstündige Pause einlegten. Diese verbrachten wir z.B. mit Bowling (im Palast der Republik) und mussten uns danach natürlich auf den Weinpaletten auszuruhen, um frisch in den Feierabend zu starten.

Unser Arbeitstag (Normalschicht, 5 Tagewoche, keine Wochenendarbeit) begann immer gleich: Jeden Tag ging es zu allen gastronomischen Einrichtungen, um deren Bestellungen abzuholen. Dieser Rundgang glich eher einer Parade von Matthias und seinem neuen „Knecht“. Mein „Feldwebel“ hatte alle Thekenbesatzungen so ziemlich fest im Griff und manchmal kamen mir die Buffetière eher als Bittsteller vor. Nun ja, es gibt immer jemand der es macht und jemand der es mit sich machen lässt.

Natürlich ging der gute Matthias auch mal in den Urlaub oder er wurde zum Reservistendienst einberufen und dann waren alle Beteiligten froh, da nun der Gernot ihr Ansprechpartner (ein Lagerleiter der anderen Art) war. 😉

Durch ein internes Angebot auf eine andere Stelle im gleichen Haus, ging meine Arbeit im Getränkelager und auch die direkte Zusammenarbeit mit Matthias zu Ende – vorerst, denn man sieht sich mindesten zweimal im Leben, so auch Mattias. 😉


Neben dem Getränkelager gibt und gab es auch noch andere „rückwärtige Dienste“ in einem Gastronomiekomplex dieser Größenordnung. Die Leiterin des sogenannten Wirschaftslagers (Bekleidung für die Küche, sämtliche Küchen- und Serviceutensilien, vom Kochtopf bis zum Geschirr und vieles mehr), ging in ihren wohlverdienten Ruhestand und es wurde eine Nachfolgerin/ein Nachfolger gesucht.

Ich muss mich wohl als auswähl- und anfragbar dargestellt und wohl auch ein/zwei Führsprecher gehabt haben. Jedenfalls bot man mir die Stelle (mit einhergehender Gehaltserhöhung 😉 ) an und ich sah meine Chance gekommen, mich aus dem „Dunstkreis“ von Matthias zu lösen und so mein eigenes Ding zu machen. Eine segensreiche Entscheidung und ein weiterer Baustein meines bisherigen abwechslungsreichen Lebens – bis dahin.


Ich habe in der gesamten Zeit im EKZ wunderbare Menschen kennenlernen dürfen. Einige von denen haben mich mein ganzes Leben begleitetet (später auch außerhalb der Gastronomie) und so darf ich mich glücklich schätzen, sie heute immer noch zu meinen Freunden zu zählen. Wir treffen uns von Zeit zu Zeit, quatschen über Gott und die Welt … und natürlich über die guten alten Zeiten.


Meine Zeit im EKZ endete im Frühjahr 1989 mit einem Angebot, ab sofort eine Restaurantleiterstellung im Restaraurant Prag, in der Leipziger Straße, zu übernehmen und auch hier lockte neben dem Geld, die eigentliche neue Aufgabe, die sehr vielversprechend und auch besonders klang.


Restaurant Prag – Leipziger Straße

Der Job war schon etwas Spezielles und genau das war auch der Reiz, diesen anzunehmen. Das Restaurant Prag, besser gesagt das Nationalitätenrestaurant bestand aus dem eigentlichen Restaurant und der Bierstube, die das eigentliche Highlight des gastronomischen Angebotes war und sehr gut von den Gästen angenommen wurde. Hintergrund war sicherlich, neben dem wirklich guten Essen, die tschechischen Biere (z. B. Pilsener Urquell oder Budweiser), die hier den nationalen und internationalen durstigen Kehlen angeboten wurden.

Diese gastronomische Einrichtung „gehörte“ zum VEB HO Gaststätten Berlin. Die Besonderheit war allerdings, dass ich als (eingesetzter) Restaurantleiter einer der wenigen deutschen Mitarbeitenden war. Küche und Service waren fest in tschechischer (genauer in tschechischer und slowakischer) Hand, denn damals existierte noch die Tschechoslowakische Republik.

Wie es die Berufsbezeichnung aussagt, galt es für mich das Restaurant in allen Belangen des täglichen gastronomischen Ablaufes zu führen. Speisekarte, Dienstplan und Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus unserem Bruderstaat hingegen, lag in der Verantwortung ihrer eigenen Küchenchefs oder Oberkellner.

Es brauchte eine gewisse Zeit, bis wir uns in einigen Ansichten näherten, am Ende haben wir uns auf unsere eigentlichen Rollen und derer Befugnisse sehr gut geeinigt und ab diesen Moment hatten beide Seiten ein gutes Auskommen mit der Anderen. 😉

Die gute Zusammenarbeit gipfelte auch schon mal in einer Art Fahrdienst meiner tschechischen Kollegen für mich, die mich manchmal, nach der Spätschicht, mitten in der Nacht an die östliche Grenze von Berlin nach Hause fuhren. Bei dieser Gelegenheit hatten wir auch mal Zeit, in der ich erfuhr, unter welchen Bedingungen (z. B. Leben im Wohnheim) bzw. Entbehrungen (Trennung von der Familie) sie ihre Arbeit hier in der DDR ausübten. Es versteht sich von selbst, dass danach mein Horizont wieder ein wenig weiter war und ich somit auch einen anderen Blick auf das eine oder andere Tun hatte. Natürlich gab es für diese Art und den Randbedingungen der Arbeit auch einen finanziellen Anreiz, der diesen Schritt für sie auch lukrativ und vertretbar machte.

Eines Tages bekam ich im Restaurant unverhofften Besuch, mein ehemaliger Kollege Matthias (Leiter der Getränkelagers im EKZ) wollte mich sprechen. Ich machte Pause und ging mit ihm „um den Block“.

Ich wusste, dass er, als ich Leiter der Wirtschaft war, dass Haus verlassen hatte, um im Südosten von Berlin mit unserem alten Chef ein eigenes Gasthaus zu führen. Danach habe ich nichts mehr von ihm gehört. Um so mehr wunderte ich mich über seinen Besuch und dem Angebot, was er mir nun machen wollte. Er eröffnete mir, dass er zu diesem Zeitpunkt ein Restaurant der Konsumgenossenschaft im Bezirk Mitte, relativ dicht an der nun ehemaligen Grenze führte und er einen guten Mann bräuchte, quasi als rechte Hand. Er schmierte mir so richtig Honig um die Backen und lobte unsere damalige Zusammenarbeit, besonders meine Loyalität. Er „drohte“ mit mehr Geld und einer spannenden Aufgabe. Es war Ende 1989 und alles was man in dieser Zeit machte bzw. entschied, konnte weitreichende Folgen haben. Diese konnte so oder so aussehen, ich lernte beide kennen.

Aber zuerst nahm ich sein Angebot an und beendete mein „Tournee“ im Restaurant Prag zum 31.12.1989.


Jägerheim

Es war eine sehr aufregende und erlebnisreiche Zeit, wie man sich beim Blick auf die Kalenderdaten vorstellen kann.

Das Jägerheim war, wie der Name schon sagt, genau so ausgestattet und das Speisenangebot darauf ausgerichtet. Dies allerdings sollte sich zukünftig aber als die nebensächlichste Sache herausstellen.

Viel prägender sollte sich die Lage erweisen. Diese „wilde Hütte“ lag in der Invalidenstraße (in der Verlängerung des ehemaligen gleichnamigen Grenzüberganges. Es sollte noch Monate dauern, ehe der U-Bahnhof Nordbahnhof wiedereröffnet wird. Zu DDR-Zeiten war dieser Bahnhof einer der vielen Geisterbahnhöfe in Berlin und das war unsere „Geschäftsgrundlage“. 😉

Alle Brüder und Schwestern aus dem bisherigen freien Teil Deutschlands und natürlich auch alle anderen Touristen kamen quasi nicht umhin, wenigsten bei uns vorbeizulaufen und viele von denen auch bei uns einzukehren. Wir waren Konsum und eben nicht HO und somit, war es eigentlich wie immer, hatten wie eine besser Versorgung mit allem und dementsprechend auch das bessere Angebot für unsere Gäste. Die Beziehungen von Matthias taten noch sein Übriges.

Sein/unserer größter Coup war es, eine spezielle Disko am Donnerstagabend zu „installieren“. Am Anfang so von uns überhaupt nicht geplant, entwickelte sich dieser Termin zum neuen Treff der LGBT-Szene aus Ost und West. Dankbarer Treiber war unser DJ, der wohl in Punkto Eigenwerbung für seine Show gute Arbeit geleistet hatte. Was für unsere Gäste eine neue Möglichkeit war, sich zu treffen und auch näher kennenlernen zu können, war für uns im wahrsten Sinne ein sehr gutes Geschäft.

Für uns ergab sich der Höhepunkt, als die Geschäftsführerin des „Lipsticks“ aus Charlottenburg uns sprechen wollte. Sie war verwundert, dass ihr Stammpublikum jeden Donnerstag nun nicht mehr bei ihr war und sie sich unbedingt diesen neuen „Tempel“ angucken musste. Als sie das Jägerheim mit seinen Geweihen und Wildschweinköpfen an der Wand sah, verstand sie die Welt nicht mehr. Es muss wohl eine Art Kulturschock gewesen sein. 😉 Wir beruhigten Sie und sagten ihr, dass hier wohl keiner gesteigertes Interesse an dieser Art der Jägerei hat …. wo bei so manchmal hatte das „Getue“ unserer Gäste manchmal schon etwas von Jagd. 😉

Wir konnten Sie mit ein/zwei Gläschen Rotkäppchen wieder stabilisieren und es war noch ein schöner Abend.

Auch hier lief es wieder wie geschnitten Brot und es hätte gerne so weiter gehen können. Ist es aber nicht.

Auf einmal machte ein Gerücht die Runde, dass das Jägerheim verkauft werden soll. Ich, der eine Familie mit einer kleinen Tochter hatte, musste eine Entscheidung, insbesondere für meine Familie und unsere soziale Absicherung, treffen. Dies teilte ich auch meinem Kompagnon mit.

Ich ging zu unserer Personalabteilung und dort wurde aus dem Gerücht Realität. Angesichts meiner familiären Situation und unserem Wohnort, bot man mir eine Restaurantleiterstelle in einem noch zu eröffnenden Restaurant in Hellersdorf (unseres damaligen Wohnbezirkes) an. Die Besonderheit war hier, ich könnte auch sehr zeitnah vorab im Aufbaustab mitarbeiten. Ich sagte sofort zu und mir fiel ein Stein vom Herzen.

Ich wusste, dass diese Nachricht Matthias nicht gefallen wird. Nur ich habe niemals im Leben damit gerechnet, dass er mir monatelang Steine in den Weg legen wird. Er ließ mich erst sehr viel später, wieder unter Einsatz seiner Beziehungen und unter fadenscheinigen Begründungen des Nichtgehenkönnens ziehen. Da war der Aufbaustab Geschichte und ich „durfte“ in ein komplett vorbereitetes und eingearbeitetes Team meine Arbeit antreten.

Dieses Verhalten werde ich meinem dann EHEMALIGEN Freund nie verzeihen. Gott sei Dank ergab sich Jahre später die Möglichkeit, ihm das bei einem zufälligen Treffen auf der Straße, auch in aller Deutlichkeit ins Gesicht zu sagen.


Hellersdorfer Terrassen

Am Anfang erschien die neue Aufgabe, gerade in einem nagelneuen Objekt, sehr spannend. Es brauchte allerdings nicht allzu lange um zu begreifen, dass diese Neueröffnung mit dieser Geschäftsausrichtung eine totgeborene Idee von den Planern war. Sicherlich muss man zur Entlastung vorbringen, dass die Planung dieses Objektes vor der Wendezeit lag und deren Folgen damals nicht abzusehen waren.

Die Entscheidung im Frühjahr 1991, in einer Plattenbausiedlung im östlichsten Teil von Berlin, einen Gaststättenkomplex mit deutscher Küche zu errichten, ließ ein böses Ende erwarten.

Es war genau diese Zeit, wo es dem ehemaligen DDR-Bürger nun nicht mehr nach Eisbein und Sauerbraten der Sinn stand, sondern eher nach Gyros von Aristoteles, Döner von Murat oder Chicken Curry Indisch von Rajeh etc.

Da half es auch nichts, dass es auch eine Bowlingbahn im Haus gab. Einzig die Spielhalle, die zwar im Haus war, aber von einem Holländer betrieben wurde, machte scheinbar ein gutes Geschäft. Auch hier war es wohl das Neue, was die Kundschaft anzog. Über die Sinnhaftigkeit, eine Spielhalle in einer sozial schwierigen Gegend zu etablieren, verliere ich hier nicht so viele Worte, weil mir gerade wieder die Ader schwillt…

Wir merkten alle sehr schnell, dass unsere Tage hier gezählt sind und so war es dann auch. Trotz allem Einsatz der gesamten Belegschaft, wurde der Betrieb runtergefahren und am Ende das gesamte Haus zu gemacht. Wir gingen alle in Arbeitszeit Null, sprich Kurzarbeitergeld.

Am schlechten Ende war am 30.06.1991 endgültig Schluss und ich war für 3 1/2 Monate arbeitslos, eine Situation die für mich erstmalig, bis heute Gott sei Dank einmalig und auch sehr verunsichernd war, gerade aus der Sicht eines Familienvaters und der allgemeinen Lage in den sogenannten „blühenden Landschaften“.

Wie so oft, liegt in jedem Ende auch ein Anfang. Eins war für mich in diesem Augenblick klar, ich wollte mit Gastronomie, wenn es irgendwie geht, nichts mehr zu tun haben, denn eigentlich sollte es ja auch nur ein kurzes Intermezzo sein. 😉

Das Leben ging dann weiter und das gar nicht mal so schlecht ….. also bleibt gespannt – Coming soon. 😉


Hier gehts zur Storyline von „wat haste jemacht mit dein leben“


P.S.
Frage: Warum machst Du das?
Antwort: Damit ich mir später meine eigenen Geschichten aus meinem eigenen Leben durchlesen kann, falls ich sie vergessen haben sollte.
– also purer Egoismus 😉


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