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Es war Wochenende und Grundstückszeit mit der kleinen Familie (meine Mutter, meine 2 Jahre ältere Schwester und ich) und … meinen Kumpel Ingo, den wir alle nur Inge nannten.
Ich weiß heute nicht mehr genau wie alt wir damals waren, ich schätze mal so irgendwas zwischen 11 bis 13 Jahre. Wir machten uns im Garten und der Umgebung einen schönen Tag.
Das Pachtgrundstück mit einer einfachen Hütte lag in Neu-Zittau am Rande von Berlin. Da hatte man alles was man braucht, um eine unbeschwerte Zeit zu verleben. Es gab Felder, Wälder und insbesondere ganz in der Nähe die Spree zum Schwimmen.
Wir beide hatten unseren Spaß und erlebten Abenteuer. So gegen 13:00 Uhr rief uns meine Mutter zu Tisch und es gab den Gartenklassiker Nudeln, Tomatensauce und X-Würstchen (Wiener Würstchen halbiert und dann an beiden Seiten jeweils überkreuz eingeschnitten). Später habe ich auch andere Namen gehört, bei uns hießen sie X-Würstchen.
Nach dem Essen ging es ans Abräumen. Am Ende stand dann auch noch das Abwischen des Tisches an (Tomatensauce und so 😉 ). Der Lappen wurde von meiner Mutter auf den Tisch gelegt und sie bat uns den Tisch abzuwischen.
Wer jetzt noch nicht bei der Geschichte eingeschlafen ist, wird mit einem aktionsgeladenen Fortgang belohnt.
Meine Schwester war der Meinung, dass ihr kleiner Bruder dieses jetzt zu tun hätte und schmiss mir den Lappen halbherzig rüber. Sonst eigentlich kein Ding für mich, doch heute war es nicht wie sonst, denn mein Kumpel war ja da und so konnte ich ja wohl nicht vor ihm als Knecht meiner Schwester dastehen.
Ich retournierte den Lappen wieder in die Richtung meiner Schwester, die nun ihrerseits den Lappen nahm und so tat, als ob sie ihn wieder und diesmal mit Schmackes zurückwerfen würde.
Ich sagte ihr, dass sie das lieber sein lassen sollte, ansonsten würde ich ihr den gesamten Inhalt der noch auf dem Tisch stehenden Ketchupflasche ins Gesicht befördern.
Nun war es an meiner Schwester sich ihrerseits zurückzuziehen oder doch ihre „Altersstellung“ durchzusetzen. Sie zögerte nur kurz und…. Spannungsbogen …. warf mir den schmuddligen Lappen direkt ins Gesicht.
Nun ja, da stand ich – oder besser – saß ich jetzt und musste eine Entscheidung treffen. „Loser or Hero“ vor meinem Freund zu sein. Meine Tagesentscheidung war ….. Held! Und so nahm ich die Ketchupflasche, machte eine lockere Handbewegung und zack hatte meine Schwester ruckartig einen neuen Teint.
Mir war in diesem Moment sofort klar, dass die Reaktion meiner Schwester nicht lange auf sich warten lassen würde und so ging ich schon mal in Habachtstellung.
Meine Vorahnung war berechtig, denn nun ging eine wilde Hatz durch den Garten und außerhalb davon los.
Meine Mutter, von Beruf Pädagogin, wollte hier beruhigend auf meine Schwester einwirken, nur es gelang ihr mit ihrer angewandten „Taktik“ nicht. Der Grund hierfür war, dass sich meine Mutter quasi auf meine Seite schlug, in dem sie irgendetwas von „so was kommt von so was“ redete, was wohl bewiesener Maßen nicht die zielbringende argumentatorische Ansprache für diesen Moment aus Sicht meiner Schwester war.
Ich weiß heute auch nicht mehr genau, warum oder wann meine Schwester von mir abgelassen hatte. Ich weiß nur, dass ich eh nicht mehr viel Zeit hatte, denn ich musste zu einem angesetzten Wettkampf nach Berlin fahren und so hieß es … nur schnell weg.
Auch wenn ich mich für den Moment der Rache meiner Schwester entziehen konnte, war mir schon bewusst, dass dieser Drops noch lange nicht gelutscht war. Ich sollte ja nach dem Wettkampf wieder in den Garten zurückkommen – wir wollten ja bis zum Sonntag bleiben.
So fuhr ich also mit „Inge“ nach Berlin, er nach Hause, ich zum Wettkampf.
Nach dem Wettkampf, es war schon recht spät am Abend, fuhr ich also wieder in den Garten. Das Problem da draußen war immer, dass der Bus vom Bahnhof Erkner nach Neu-Zittau nur alle Stunde fuhr bzw. auch gerne mal ausfiel. Diesem Umstand geschuldet, kam ich erst so gegen 22:30 Uhr in der Nacht wieder im Garten an.
Auf dem Weg zum Haus wunderte ich mich schon, dass ich kein Licht im Gartenhaus sah. Ich wusste, dass meine Mutter nicht schlafen wird, bis alle ihre Schäfchen im Haus sind.
Ich ging also übers Grundstück, zum Haus und drückte die Klinke runter …. verdammte Axt …abgeschlossen. Ok, sie hat halt von innen abgeschlossen…. oder?
Es hat eine Weile gedauert, bis ich es geschnallt hatte: hier ist keiner mehr und ich hatte keine Schlüssel! Diese Situation war jetzt geklärt, aber nun kamen ganz andere Fragen bzw. Sorgen auf…
Es ist für den Leser eventuell ganz hilfreich zu erwähnen, es war die Zeit, wo man noch nicht mal die Begriffe Handy, Smart- oder Cellphone kannte und es auch noch lange dauern würde, bis man solch ein Gerät in den Händen hält 😉 Auch brauch hier keiner nur einen Gedanken an einen etwaig lokalen Fernmünzsprecher (Telefonzelle) zu verschwenden, den es in jeden Kaff zwar gab, aber der nie funktionierte – so auch nicht an diesem Tag/Abend.
Ich versuchte mich zusammenzureißen und überlegte was wie zu tun wäre.
Die erste Frage war, fährt überhaupt noch ein Bus aus Neu-Zittau nach Erkner oder war eine Nachtwanderung angesagt. Nächste Frage, fährt denn noch die S-Bahn von Erkner zur Jannowitzbrücke? Am Ende stand aber die alles entscheidende Frage: Werde ich meine Mutter (und natürlich meine Schwester) dort/zuhause antreffen oder stehe ich wieder vor einer verschlossenen Tür?
Ich weiß heute nicht mehr genau, wie ich nach Hause gekommen bin und wie lange es letztendlich gedauert hat… Ich weiß nur eins – ich bin an- und reingekommen und wir alle waren darüber überglücklich.
Natürlich hatte sich auch meine Mutter Sorgen, vielleicht sogar Vorwürfe gemacht. Aber sie musste handeln, denn mein fliegender Ketchup hatte bei meiner Schwester „nachhaltig“ gewirkt, was kein Mensch ahnen konnte.
Sie erzählte mir, nun erleichtert, dass meine Schwester auf das flüssige Nachschattengewächs im Gesicht derart allergisch reagiert hatte, dass sie sehr zeitnah die Zelte abbrechen musste, um sich mit “Redhead“ in die Notaufnahme zu begeben und ihren Zustand abklären zu lassen.
Es muss schon früher Morgen gewesen sein, da betrat ich unser gemeinsame Kinderzimmer und in diesem Moment guckte mich meine Schwester schlaftrunken an. Sie tat mir in diesem Moment unendlich leid. Meine Sorgen und Strapazen waren in diesem Augenblick vergessen – ich war nur noch froh und glücklich endlich zu Hause zu sein und schlief ein.
Hier gehts zur Storyline von „wat haste jemacht mit dein leben“
P.S.
Frage: Warum machst Du das?
Antwort: Damit ich mir später meine eigenen Geschichten aus meinem eigenen Leben durchlesen kann, falls ich sie vergessen haben sollte.
– also purer Egoismus 😉
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Hallo Gernot,
mit Interesse verfolge ich deine Kindheits- und Jugenderinnerungen im Arbeiter- und Bauernstaat DDR. Sie sind lebendig, amüsant und gut erzählt. Du hättest Schriftsteller werden können. Leider erfahre ich nichts über deine „sozialistische Erziehung“ (Junge Pioniere, FDJ, SED und Stasi). War wirklich alles nur eitel Sonnenschein? Wir wissen heute, dass der Lebensweg der Bürger in der DDR von Kindesbeinen an stark vom Staat beeinflusst wurde. Wie waren eigentlich deine diesbezüglichen Erfahrungen?
Hallo Willi, vielen Dank für Dein Interesse. Wie Du ja bereits weißt, ist es mein ganz privater Blog (Tagebuch) und ich habe grundsätzlich keinen journalistischen Auftrag zu einem Politblog. Ich stehe in der Blogkategorie „Wat hast jemacht…“ erst ganz am Anfang meiner „Lebensbeichte“ (1 Eingangsblog und 3 Geschichten). Aktuell habe ich noch einen Themenspeicher von gut 50 Geschichten (kann noch mehr werden 😉 ) In all meinen Geschichten werden dann auch immer mal kurze begleitende Worte/Einordnungen zur der jeweiligen Zeit und dem System in die Geschichten einfließen lassen und dann eben nicht nur die DDR sondern auch aus deren Nachfolger (dem Land mit den blühenden Landschaften). Bleib also weiterhin gespannt.
Eins aber schon mal vorab: ich war Jung- und Thälmannpionier, war auch in der FDJ, habe meinen 1 1/2 Jahre Wehrdienst geleistet und war auch in der DSF (die Langversion wäre dann für Dich ein Rechercheauftrag 😉 Mit der Stasi muss ich Dich leider „enttäuschen“ 😉 , obwohl ich im Zuges des Wehrdienstes natürlich auch gefragt wurde, ob ich bei dem Verein“mitspielen“ möchte. Ich habe dankend abgelehnt. 😉