Gedanken zum Gedenken

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An diesem Wochenende jährt sich also der 30. Jahrestag des Mauerfalls und auch ich mache mir darüber so meine Gedanken.

Meine Gedanken gehen eher nicht 30 Jahre zurück, sondern bleiben im hier und jetzt.

Auslöser war ein Post eines Facebook-Freundes, der eine These verbunden mit einer Frage zum Mauerfall stellte.

Mauerfall. Mit je mehr Menschen ich spreche, umso mehr verdichtet sich ein Gefühl: Der Wunsch nach Einheit war ein Westtraum.
Ist das so?

Paul S. (Name vom Autor geändert)

Was der gute Paul da sagte und fragte, wollte und sollte von den Mitlesenden und mir, so nicht stehen gelassen werden.

Wie viele der Mitlesenden wussten, lebt Paul mit seiner Familie jetzt in Berlin, allerdings zur „fraglichen“ Zeit in den alten Bundesländern und hat meiner Auffassung nach, hier ein Stimmungsbild von einer kleinen heterogenen Gruppe wiedergegeben. Ich kenne natürlich nicht die von ihm angesprochenen Menschen und ihre Herkunft, geschweige denn ihr fachliche „Expertise“ hier für alle Deutschen zu sprechen. Es kann aber auch schlicht weg der Fall sein, dass sich der Paul mit den „falschen“ Leuten unterhalten hat und sich somit sein Gefühl gebildet hat.

Meine erste Antwort war:

Was kann man sich WÜNSCHEN, wenn dieser Wunsch zu unrealistisch schien. Auch ich hatte mich, wie man so schön sagt, eingerichtet. Viel wichtiger war nach meiner Auffassung eine Freiheit zu erlangen. Ob das nun in einer „neuen“ freien DDR oder als Gesamtdeutschland sein sollte, war mir letztendlich nicht so wichtig. Diese Art der Geschehnisse und deren Geschwindigkeit vor 30 Jahren konnte doch wirklich keiner im Geringsten ahnen.

Fazit: Es ist gut so wie es gekommen ist und ja, da wo ich heute bin, wäre ansonsten ein Wunsch/Traum geblieben.
Und auch ich habe tolle Menschen kennenlernen dürfen. Einige davon habe ich sehr oft und ganz nah bei mir…. schon deswegen war das eine geile Sache.

Gernot A. aus B. an der S. – früher Bezirk Mitte, heute im schönsten Bezirk von Berlin …. Köpenick 😉

Gernot A. (Autor)

Paul antwortete und so, glaube ich, wurde mir erst jetzt auch klar, was sein eigentliches Anliegen war.

Wir „im Westen“ hatten das abgeschrieben. Mit der Chance war auf einmal das Projekt da. Verstanden hat bei uns in der Familie dieses Einheitsgehype kaum jemand. Und heute lese ich auf der einen Seite, es hätte diese große Wut der DDR Bürger gegeben. Heldenhaft. Ich kenne heute niemanden, der das so sagt. Weder Wut noch sonst was. Fast wäre ein Nebeneinander der größere Traum gewesen. Ist das so? Ist die Einheit, bzw. die Feiern darum, ein inszeniertes Ding von oben?

Paul S.

Meine Antwort fiel kurz und knapp, aber nicht weniger eindringlich aus:

Man kann auch leise und eher uneuphorisch „begrüßen“/feiern.

Gernot A. (Autor)

Paul antwortete, in dem er sich für die rege Diskussion und Offenheit bedankte und dann nahm der Dialog für mich die entscheidende Wendung.

Das sind Erfahrungen, die mir total fehlen. Für uns an der Grenze zu den Niederlanden war das weit weg. Ein mediales Ereignis. Getrieben und inszeniert gefühlt. Und irgendwie dachte ich immer:“ Die Menschen aus der DDR, die wollten den Wechsel total und aus vollem Herzen.“ Jetzt habe ich jahrelang in Gesprächen viel Downsizing erlebt. Und mir fehlt total der Bezug mittlerweile dazu. Es ist, was ist. Aber was es den Menschen bedeutet… Fällt mir total schwer. Umso schöner eure Wortmeldungen. Danke!

Paul S.

Was da Paul ansprach, ist genau unser, auch gegenwärtiges Problem. Wir reden viel zu viel über den anderen, statt mit dem anderen. Nur wenn wir gemeinsam ins Gespräch kommen und dem Gegenüber, das eine oder andere aus dem eigenen Erleben berichten/erklären.

Und so antwortete ich Paul:

Du bist mit Deinen Fragen und Deinem Verstehen auf einem guten Weg. Es geht auch sehr viel um das nicht Ausgesprochene. Es ist wichtig, wie Du es ja auch hier merkst, man muss darüber reden, um es immer besser zu verstehen. Und, es ist immer wichtig zu wissen, mit wem rede ich hier gerade… wo hat er gewohnt, wie ging es Ihr/ihm… etc. es gibt keine Generalerklärung für das eine oder andere.

Gernot A. (der Autor)

Am Ende unseres Gespräches (unter Beteiligung auch anderer) gab Paul folgende Antwort:

Mir hilft das sehr. Die Feiern sind das Eine. Das Andere ist das, was es den Menschen bedeutet.

Paul S.

Was ich hier niedergeschrieben habe, war und ist für mich, der stärkste Moment an diesem geschichtsträchtigen Wochenende.

Menschen wie Paul wünschte ich mir mehr. Ein Mensch der Fragen stellt, weil er etwas nicht versteht oder einordnen kann. Ein Mensch, der zuhört und reflektieren kann. Eine besondere Gabe von ihm ist es, bei allen Gesprächen, die wir auch schon vorher geführt haben, seine ruhige und besonnene Gesprächsführung stets beizubehalten. Leider ist eine derartige Eigenschaft heutzutage eher selten anzutreffen.

Danke Paul

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Ein Kommentar

  1. Starker Artikel Gernot!
    Hat was sehr emotionales, für mich persönlich einer deiner besten die ich bis jetzt gelesen habe

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